Der Morgen
beginnt zunächst wie immer.
Wir gehen mit dem Hund zum Strand und schwimmen eine Runde im Meer. Schon seit Wochen verfolgt mich dabei ein ganz kleiner roter Fisch, der mich jedes Mal in den Bauch zwickt, wenn er mich erwischt. Die Wellen sind heute höher und heftiger als sonst. Beide haben wir Mühe beim Schwimmen und halten uns lieber in Ufernähe auf. Einige Wellen brechen direkt da, wo wir auf unsicherem Grund stehen, denn es treibt uns immer wieder hinaus. Wir sehen recht grosse Fische in den Brechern. Als wir erkennen, dass es sich dabei um die “immer grösser werdenden Haifische“, die es auf dem Markt gibt, handelt, sind wir ziemlich schnell wieder aus dem Wasser raus. Doris vergleicht das mit der Kakerlake im Brötchen und ich komme zur Überzeugung:
“Hier wird einem irgendwann, durch irgendeinen Käfer oder Fisch, auch das versaut, was einem wirklich gefallen könnte”.
Motorrad
Unsere Sorge des Tages gilt dem Motorrad. Wir nehmen uns eine Rikscha und bitten den Fahrer uns zur nächsten Tankstelle zu fahren. Wir erklären ihm unser Malheur und natürlich hat er einen Freund, dessen Freund, der einen Vetter hat, welcher jemanden kennt, der uns helfen könnte. So fahren, wir zunächst zu dem Freund, der erklärt, wo sein Freund wohnt, dort angekommen, erklärt jener, wo sein Cousin wohnt. Wir sind insgesamt schon zwei Stunden unterwegs, als wir endlich da sind. Die Inder sind ja grundsätzlich immer freundlich, so werden wir herzlich empfangen mit dem typischen Kopfkippen (In Indien ist das Kopfdrehen ein Nein, während ein leichtes Kippen ein Ja bedeutet).
Er kann und will uns helfen, natürlich würde das kosten. Er holt ein altes Zündkabel von einem schrottreifen Rajdoot, der wohl in einen schlimmen Unfall verwickelt war, und sucht in seinem Sammelsurium bis er eine riesige Fahrradpumpe hervorkramt. Wir zahlen etwas über Hundert Rupien, der Rikschafahrer bringt uns in wesentlich kürzerer Zeit zurück nach Calangute.
Bei der Schneiderin holen wir uns noch schnell die Kopie der Kopie unserer Hosen ab. Diese ist nun deutlich indischer als das Original.
Unter den neugierigen Blicken der gesamten Kinderschar und ein paar weniger Jugendlicher reparieren wir das Motorrad. Doris pumpt und ich wechsle das Kabel aus , mit Hilfe des lächerlichen Werkzeugs, welches zur Grundausrüstung unseres Gefährts gehört. Die Kinder kichern und kreischen, es fühlt sich an, wie in einer Stierkampfarena, wir Zwei gegen die technischen Tücken und vor allem gegen das ungebetene Publikum, dies alles in sengender Mittagshitze. Beide reissen wir uns zusammen, um nicht wütend und aggressiv zu werden. Nach mehreren Stunden, in welchen wir uns schweissgebadet abwechseln, sind die Reifen zumindest soweit mit Luft gefüllt, dass eine von uns damit bis zur Tankstelle fahren kann, um dort die Restfüllung mit Druckluft zu erledigen.
Jetzt brauchen wir erst mal eine ordentliche Pause.
Der Abend beim Schweizer
Neueiergig erreichen wir abends das Haus des Schweizers. Wir treten ein, Teppiche bedecken den Steinboden. Eine riesige und sehr teuer wirkende Shivastatue steht im Eingang. Er setzt uns an einen Tisch, bringt uns eisgekühlten Chai und legt sofort los mit einem Wortschwall. Eine gefühlte Ewigkeit werden wir von ihm runter gemacht und beleidigt. Wir seien zu blöd und zu naiv für Indien. Was wir eigentlich hier wollten? Da wir ja so blöd sind, antworten wir immer nur knapp und immer nur so, dass er nicht merkt, dass wir eventuell gar nicht so blöd sind, wie er denkt. Er fragt nach unseren Visas und in der Tat, die laufen demnächst aus und wir müssen um weitere drei Monate verlängern. Ungefragt erhalten wir Name und Adresse eines Beamten in Panjim, der das gegen Schmiergeld immer sehr schnell erledigen würde. Da wir ja weiterfahren werden, erhalten wir eine gleichwertige Adresse für Bombay und Delhi. Grossspurig erzählt er, dass er die ganze Polizei hier geschmiert habe. Er holt einen Stoss von mindestens 30 Pässen verschiedenster Nationen, die allesamt sein Konterfei enthalten jedoch mit unterschiedlichen Namen versehen sind.
Ich ganz naiv :” wozu brauchst Du die denn?” Es stellt sich heraus, dass er zwischen Indien und Südamerika hin und her pendelt, denn er ist wohl ziemlich aktiv im Drogenhandel tätig. Er erklärt uns, dass Opium aus Afghanistan auf dem Landweg nach Indien kommt. Hier an geheimen Orten verteilt und verpackt wird, um via Schweiz und andere Länder nach Südamerika geflogen zu werden. Dort wird es zu Heroin verarbeitet und erhält dadurch erst seinen Marktwert. So verarbeitet kommt das Heroin wiederum nach Europa und Nordamerika. Im Gegenzug kommt Kokain aus Südamerika nach Asien, mit welchem das Opium bezahlt wird. Der Weg führt immer wie in einer liegenden Acht über einen ganz bestimmten Friseursalon in Zürich. Die ganze Sache sei sehr lukrativ und er habe sowohl hier wie auch in Kolumbien nicht nur etliche Häuser sondern wohl auch etliche Frauen laufen. Ja, genau so sieht er auch aus!
Falls wir auch etwas von dem grossen Kuchen haben möchten, sollen wir uns bei seinem Freund, einem Deutschen melden. Wir bekommen Adresse und Angaben.
Doris und ich schauen uns ungläubig an. Der meint das ernst und vor allem denkt er tatsächlich, dass wir völlig frei von Intelligenz absolut naiv sind und uns jetzt in den Drogenhandel begeben möchten. Da wir ja anscheinend so blöd sind, sagen wir zu, den deutschen Freund, kennenlernen zu wollen. Er erklärt uns nochmal, dass zwei Frauen, so wie wir, hier nicht gerne gesehen werden und dass das mit dem Motorrad, erst der Anfang sei.
Nacht
Zu essen gab es bei ihm nichts. So verlassen wir seine Villa, beschert mit vielen Informationen, die wir so eigentlich gar nicht erhalten wollten. Ganz neidlos sind wir auch nicht, denn er hat in seinem Haus, ein richtiges Klo und warmes Wasser, das aus der Leitung kommt.
Da der Tag eh schon übel verlief, gehen wir in einem der kleinen Restaurant-Hütten etwas Warmes essen.
Als wir nachhause kommen ist es bereits Nacht. Der Vollmond leuchtet jedoch so hell, dass wir den Weg nachhause auch ohne Taschenlampe finden. Mangels Luftverschmutzung ist es tatsächlich richtig hell mitten in der Nacht auch bei unserem Haus im Palmenhain.
Als wir im Bett liegen, klirrt eine Fensterscheibe, draussen hören wir Gegröhle und sehen zwei Jugendliche wegrennen, sie schreien mehrmals “L e s b i a n s” und verschwinden, bevor wir erkennen können, wer sie sind.
Zum ersten Mal haben wir Angst.
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Den ganzen Reisebericht beginnen hier: Teil 1
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Ganz schön mutig!