Militärdienst Teil 4

Lesezeit: 5 Minuten

Der lange Marsch

(bitte Ton an)

Eigentlich hatte ich nach der Übung mit dem Tränengas schon genug von dem Tag und vor allem auch von dem Marsch. In Einerkolonne marschierten wir Hügel auf und ab.  Es war wahnsinnig anstrengend, der Rucksack war schwer.  Immer wieder kam das Kommando “On se dépêche”, auf gut Deutsch: “schneller!

 

Wenn es niemand sah, nahmen mir die jüngeren Mädels den schweren Rucksack ab. Ich lief wie in Trance einfach hinterher, mir fehlte die Energie und auch die Substanz, es war ja gerade mal ein Jahr vergangen seit den Strapazen in Indien.

Es wird Nacht

Über Stunden bleibt es so, wir gehen und ab und zu singen wir:

” un kilomètre à pied, ça use, ça use.. deux kilomètres à pied, ça use les souliers… trois kilomètres à pied… quatre… cinq ……..”

Die Dunkelheit kommt mir zugute.  Niemand sieht, dass ich den Rucksack nicht mehr selber trage.  Ganz unerwartet bietet sich mir die beste Gelegenheit, dem Ganzen eine Wendung zu geben.

Von rechts irgendwo aus einer Wiese kommt ein Auto mit den Scheinwerfern an und auf uns gerichtet. Blitzschnell registriere ich, dass ist das Fahrzeug der Aushebungsoffizierin, diejenige welche mich im Tränengas schmoren liess. Ich melde: “Unbekanntes Fahrzeug nähert sich der Truppe!” Die Kommandantin ruft:”Fahrerin Heitz, gehen Sie nachsehen!” Von mir kam ein deutlich hörbares “Jawolllll!”

Ich realisierte, dass ich die Chance hatte, mich zu “rächen” Neben mir war ein Graben, der mich von der Wiese trennt, wo ich hin sollte. Ich stürzte mich in den Graben und schrie laut auf und blieb reglos liegen.   Mein Knie umklammernd sagte ich, dass ich nicht mehr gehen könne. Die Aushebungsoffizierin kam her und schnauzte mich an, wie ich nur so blöd sein könne, in den Graben zu springen, ob ich kein Hirn hätte.

Meine philosophische Sternstunde war gekommen!

Von wegen kein Hirn! Ich erklärte, dass ich nur einen Befehl ausgeführt hätte, Befehlsverweigerung hätte doch wohl Konsequenzen und ist stellte mich so doof, wie ich nur konnte.  Ich sah, wie die Kommandantin wütend wurde und genoss den Moment. Es gab einen längeren Diskurs um Eigenverantwortung und Befehlsverweigerung im eigenen Interesse. Dass man nicht alles einfach tun solle, wenn man damit Schaden abwenden würde. Gut so dachte ich. “Also verstehe ich das richtig, wenn mir etwas  nicht gut tut, dann kann ich den Befehl verweigern?” Sie bekam beinahe Schnappatmung, als ich erklärte, dass damit die ganze Armee und der Krieg überhaupt keinen Sinn mehr machen würden. Kriege könnten mit Befehlsverweigerung nicht gewonnen werden.

Stille

Sie fragte nach meinem Rucksack! Den hatte jemand sicherheitshalber bereits vorher in den Graben geworfen. Ich nahm ihn auf, humpelte aus dem Graben und sodann musste mich die Kommandantin mit ihrem Auto zur Kaserne fahren.

Mein Marsch war beendet.

Während der Fahrt konnte sie es immer noch nicht fassen, dass ich das gemacht hatte. Sie war so felsenfest davon überzeugt, dass ich das nur zum Trotz und nicht aus Kadavergehorsam getan hatte.

In der Kaserne musste ich gleich zum Arzt. Er war sehr nett, ich zeigte ihm mein Knie mit der grossen Narbe (Operation als ich 11 war). Völlig geschockt, holte er die Kommandantin rein und fragt, wieso man mich für diensttauglich erklärt hab. Die Offizierin ist jetzt kreidebleich; eins zu null für mich!

[Anmerkung: Es ist für das Militär etwas vom Schlimmsten, wenn sich jemand verletzt und womöglich lebenslang eine Rente beziehen würde.]

Ich schlief nicht ein, bevor alle wieder im Schlag waren. Noch lange lag ich wach mit einem Grinsen im Gesicht.

Auszeichnung

Bevor wir in Verlegung (Dislocation) gehen sollten, gab es Auszeichnungen und Ehrungen.  Ich bekam nicht den Orden “Wider den tierischen Ernst” aber eine Auszeichnung für ABC-Schutz und Kameradenhilfe.

Den “Orden” überreichte mir, die hier mitlesenden Kommandantin Sylvie V.

Bei der Übergabe musste sie ungewollt lachen  und erzählte, dass sie es war, die ich tot im Sumpf wollte liegen lassen. Ein bisschen genierte ich mich  nun doch.  Ich war aber auch ein wenig stolz. Ich hatte das alles können, obwohl ich Rheumatikerin bin, obwohl meine Knie schon als Kind operiert wurden. Körperlich war ich ans Limit gegangen. Ich hatte auch den Marsch geschafft, wenn auch mit etwas List. Schliesslich hatte ich mich als Fahrerin, nicht als Geherin beim Militär beworben.

Zu meiner grossen Ehre wurde ich in die Kompanie 1 der Romands aufgenommen, damit hatte ich nicht gerechnet.

 

 

Verlegung

Das Beste sollte erst noch kommen.

Wir freuten uns wirklich darauf. Alles, was wir erlernt hatten, sollte nun Anwendung finden. Als erstes erhielten wir je zu zweit ein Fahrzeug und die Koordinaten des Zielpunktes. Alle mussten das selber  berechnen, wir hatten das im Unterricht gelernt, das Kartenlesen.

Von Winterthur aus ging es ins Appenzellerland!

Es kommt nicht von ungefähr, dass ich heute in dieser Gegend wohne, ich hatte mich damals in die Hügel und Wälder auf den ersten Blick verliebt.

Wir hatten es nicht verdient, aber es begann zu regnen. Ich war zusammen mit Nicole B. in einem Pinzgauer unterwegs, die Koordinaten hatten wir richtig berechnet. Es war so lustig, als wir uns dem hügeligen Landstrich näherten. Fast auf jedem Hügel, auf jeder Strasse, sah man ein Fahrzeug in irgendeine aber sicherlich falsche Richtung fahren.  Nicole und ich hielten an, es schüttelte uns vor Lachen  (Im Titelbild habe ich diese Situation im Sketch festgehalten).

Kurze Zeit später sind wir am Ziel, bis alle ankommen dauert es Stunden. Zu unserer Freude durften wir nun Zelte aufbauen. Die Feldküche wurde etwas erhöht neben einer Jagdhütte aufgestellt. Die Hütte war Unterbringung für die Kommandantinnen, während das gemeine Fuss- oder Fahrerinnenvolk in den Zelten nächtigen sollte.

Als endlich alle da waren, wurden die Schlafplätze zugeteilt, ein Feuer entfacht und es war nun doch wie ein grosses Pfadfinderinnenlager, es gab eine Cervelat, die über dem Feuer gebraten wurde. Wir standen vereint am Feuer, denn es wurde kalt und vor allem nass.

Und ja das Beste kommt noch!

 


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Fortsetzung

 

Ich werde ab jetzt nicht mehr jede Woche schreiben können, es gibt viele Projekte vor allem Buchveröffentlichungen, welche ich vorziehen muss.

Danke, dass Ihr mich weiterhin lesen werdet.

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Auch über Kommentare zu meiner Erzählung würde ich mich sehr freuen 🙂

Eine Antwort auf „Militärdienst Teil 4“

  1. Vielen Dank, Corinne, für diese inspirierenden Berichte. Ich freue mich sehr, weiter lesen zu dürfen und mir scheint das immer ein kleines Fenster in neue Welt(en).
    Du hast mir damit Mut gemacht, meine Geschichte schreibend zu verarbeiten.
    Vielleicht wird damit Vieles einfacher.
    So freue ich mich vorab mal auf Neues von dir. Schöne Grüsse, Jrene

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